Interview von Dr. Steffen Jakobs
Bei vielen Patienten mit Diabetes geht das Gefühl in den Füßen verloren. Die kleinsten Druckstellen können zu offenen Wunden führen, die sich dann entlang des Gewebes und der Sehnen ausdehnen können. Deswegen sind Diabetiker darauf angewiesen, regelmäßig ihre Füße vom Arzt kontrollieren zu lassen. Wie Betroffene am besten mit ihrer Diabetes-Erkrankung und Wundproblemen umgehen, erklärt Chefarzt Dr. med. Stephan Ruff, Abteilung für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie der Paracelsus Klinik Bad Ems.
1. Welche Versorgung nehmen Sie im Krankenhaus vor?
In der Klinik sorgen wir für Entlastung, beispielsweise durch eine antibiotische Therapie. Diese verhindert, dass die Wunde tiefer wird und sich entzündet. Ziel ist es, keine tieferen Entzündungen entstehen zu lassen und größere Amputationen zu vermeiden. Helfen die entsprechenden Maßnahmen nicht, muss amputiert werden. In diesem Fall versuchen wir schnellstmöglich die Patienten mit Prothesen zu versorgen.
Dr. med. Stephan Ruff ist Gefäßspezialist an der Paracelsus-Klinik Bad Ems.
2. Somit spielt der Zeitfaktor eine große Rolle?
Ja, eine Früherkennung von Wundheilungsstörungen durch Hautärzte und Angehörige ist äußerst wichtig. Schließlich können neue Schuhe zu Druckstellen führen und sich ein Ulkus oder eine Infektion bilden.
3. Betrifft Diabetes nur Senioren?
Nein. Obwohl, die meisten Patienten mit Diabetes Typ 2 und Störungen der Wundheilung um die 60 bis 70 Jahre alt sind, werden Diabetes-Erkrankte immer jünger. Manche Patienten ahnen nichts von ihrer Erkrankung und kommen mit einer nicht oder schwer heilenden Wunde zum Arzt. Wir machen dann verschiedene Untersuchungen. Stellen wir fest, dass der Blutzuckerwert nach einer Wundbehandlung immer noch hoch ist, diagnostizieren wir oft eine Diabetes-Erkrankung.
4. Was kann Diabetes und einen diabetischen Fuß auslösen?
Bekannte Ursachen für Diabetes Typ 2 sind Übergewicht, Bewegungsmangel und genetische Veranlagung. Bei Diabetes kommt es im Körper zu einer Insulinresistenz. Dies bedeutet, dass das Hormon Insulin seine Wirkung nicht mehr richtig entfalten kann. Beim Typ 2 Diabetes wird Insulin zwar noch von Zellen der Bauchspeicheldrüse gebildet, kann aber seine wichtige Aufgabe – den Transport von Zucker aus dem Blut in die Körperzellen zu fördern – nicht mehr richtig erfüllen. Dadurch verbleibt der Zucker im Blut und der Blutzuckerspiegel steigt an. Eine Folge davon können Schäden an Nervenfasern und Blutgefäßen sein. Dadurch werden die Füße weniger durchblutet und Patienten merken meist nicht mehr, dass es durch zu enge Schuhe oder Steine im Schuh zu Wunden kommt. Die Füße verformen sich und Druckstellen treten auf. Das Tückische ist, dass bereits kleine Verletzungen genügen, um schwere Wunden auszulösen.
Zudem kann es zu einem sogenannten Lipödem kommen, dabei ist die Fettverteilung an den Hüften sowie den Ober- und Unterschenkeln durch krankhafte Fettzellen gestört. In einem solchen Fall raten wir zu einer Umstellung der Ernährung.
Bei diesem Patienten mit diabetischem Fußsyndrom hat sich bereits ein Geschwür an der Großzehe gebildet.
5. Wie sieht eine solche Ernährungsumstellung aus?
Patienten müssen darauf achten, dass der Langzeit-Blutzuckerwert nicht aus dem Ruder läuft. Besonders bei Typ 2-Diabetikern ist das ein Maßstab für die
Lebensführung. Süßigkeiten, zuckerreiche Getränke und Lebensmittel sollten sie
unbedingt vermeiden.
6. Wo entzündet sich die Haut bei Diabetikern am meisten?
Die Hauptwunden bei Zuckerkranken sind venöse Schädigungen, also Krampfadern oder Abflussstörungen. Durch operative Maßnahmen können wir hier Abhilfe schaffen. Nach Reinigung der Wunde ist auch deren Verschließung durch Hautverpflanzungen möglich. In einem solchen Fall arbeiten in unserer Klinik die Gefäßchirurgie, Phlebologie und Wundversorgung eng zusammen. Auch wenn das Thema Hautverpflanzung noch für viele experimentell klingt, ist es für uns ist bereits Routine.
7. Empfehlen Sie eine ambulante oder stationäre Behandlung?
Wir haben die Möglichkeit viele Wunden ambulant zu versorgen. Wenn eine intensive antibiotische oder größere operative Maßnahme nötig ist, nehmen wir die Patienten auf. Momentan verfügen wir hier über 80 Betten.
Das Interview entstand mit der freundlichen Unterstützung von see4c.