Interview von Dr. Steffen Jakobs
„Tod beim Marathon“ derartige Meldungen hat man in der Vergangenheit schon öfter gehört. Ein Grund dafür kann die sogenannte Koronaranomalie sein. Was sich dahinter verbirgt, wie oft sie vorkommt und welche Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden können, erklärt Dr. med. Paul Adolphi, Facharzt für Allgemeinmedizin in Halle a. d. Saale.
1. Herr Dr. Adolphi, was ist unter einer Koronaranomalie zu verstehen und warum ist sie für Leistungssportler so gefährlich?
Als Koronaranomalie wird meist ein angeborener Fehlverlauf der rechten oder linken Herzkranzarterie bezeichnet. Diese wichtigen Blutgefäße versorgen das Herz ständig mit Sauerstoff und Nährstoffen. Unter starker körperlicher Belastung, wie bei einem Marathonlauf, kann es bei Patienten mit Koronaranomalien zu einer Kompression einer Herzkranzarterie kommen. Daraus resultiert eine Minderdurchblutung des Herzmuskels mit Herzrhythmusstörungen und letztlich ein plötzlicher Herztod.
Dr. Paul Adolphi ist Facharzt für Allgemeinmedizin in eigener Praxis in Halle a. d. Saale.
2. Wie häufig kommt das vor?
Obwohl Koronaranomalien oft harmlos sind, stellen sie die zweithäufigste Ursache für den plötzlichen Herztod dar. Für Menschen im jungen Erwachsenenalter ist es ein besonders tragisches Ereignis.
3. Können Sie uns einen Fall schildern, der Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Ja. Vor kurzem erlitt ein gesunder 44-jähriger Halbmarathonläufer beim Zieleinlauf einem plötzlichen Kollaps mit Bewusstlosigkeit. Nachdem
die Notärztin vor Ort ein Kammerflimmern (schwere Herzrhythmusstörung) feststellte und eine sofortige Defibrillation (elektrische Schockabgabe) einleitete, wurde der Patient unter anhaltender
Reanimation in die Klinik gebracht. Dort wurden neben Infusionen auch Adrenalin verabreicht, um den Herzstillstand zu behandeln. Nach 45 Minuten und interdisziplinärer Entscheidung musste die
Reanimation abgebrochen werden.
4. Welche Maßnahmen vor und nach dem Wettkampf empfehlen Sie, um einen plötzlichen Herztod zu verhindern?
Auch Jugendliche und junge Erwachsene sollten vor dem Wettkampfsport ärztlich untersucht werden. Dies
schließt ein Elektrokardiogramm (EKG) ein. Auch eine ausführliche Anamnese, einschließlich der Erfragung von Herztodesfällen in der Familie, sollte durchgeführt werden. Trotz dieser Maßnahmen
bleibt jedoch ein gewisses Restrisiko bestehen, da sich nicht alle Herz-Erkrankungen im EKG widerspiegeln.
„Eine umgehende Wiederbelebung ist entscheidend“
Bei Patienten mit erkennbaren Beschwerden wie Schwindel oder Brustschmerzen sollten vor dem Wettkampf weitere Untersuchungen wie Belastungs-EKG, Ultraschall oder eine Computertomographie der Herzkranzgefäße durchgeführt werden. In speziellen Fällen kann eine Operation notwendig sein. Falls ein Herz-Kreislauf-Stillstand aufgrund einer Koronaranomalie bei einem Wettkampf eingetreten ist, sollte eine umgehende Wiederbelebung sowie ein rascher Transport des Patienten in ein geeignetes Zentrum erfolgen.
Was sind AED? Automatisierte externe Defibrillatoren (AED) werden auch Laiendefibrillatoren genannt und sind für die Anwendung durch Ersthelfer konzipiert. Es handelt sich dabei um kleine tragbare Geräte, welche die Herztätigkeit eines Patienten mittels Elektroschocks wieder normalisieren können. Mittlerweile werden in Erste-Hilfe-Kursen gezeigt wie AED in Notfallsituationen anzuwenden sind. |